Hinschauen ist immer die beste Option!
Lesezeit: 6 MinutenIn den letzten Wochen war es still auf diesem Blog. Das lag nicht daran, dass ich nichts zu sagen gehabt hätte oder, dass es nichts zu sagen gegeben hätte. Aber so ist das mit der Zeit… Mal hier, mal da und doch kommt man manchmal wirklich zu nichts. Jetzt soll aber Schluss sein mit der ungewollten Spätwinterpause. Es gibt genug, über das man schreiben kann und es gibt genug zu sagen. Deswegen bin ich zurück und deswegen geht es diese Woche um einen Konflikt, der mir zwar bekannt war, bei dem ich aber auch feststellen musste, dass er irgendwie ein wenig an mir vorübergezogen war. Heute geht es um Myanmar. Denn was sich in Myanmar zeigt, schockiert. Was in Myanmar passiert, muss präsenter sein.
Am 01. Februar 2021 putschte das Militär an die Macht. Dem vorausgegangen waren im November Wahlen, die die Partei der Regierungschefin Aung San Suu Kyi gewonnen haben soll. Internationale Beobachter*innen nannten die Wahl frei und fair – die Partei des Militärs war unterlegen. Anfang Februar 2021 nach rund zehn Jahre vorsichtiger demokratischer Öffnung putschten sich die Generäle zurück an die Macht mit dem Vorwurf, das Ergebnis sei eine Folge von Wahlbetrug. Expert*innen sind sich einig, dass die hohen Militärs mit vielem rechneten. Nicht aber mit dem, was folgen sollte.
Folter und Mord gegen das eigene Volk. So beschreibt Lena Bodewein aus dem ARD-Studio Südostasien das Vorgehen der Militärjunta gegen die zumeist friedlichen Demonstrierenden. Es sind bedrückende Bilder, die einen der letzten Tage aus Myanmar erreichen. Bilder aus der einstigen Hauptstadt Yangon, wo Demonstrant*innen niedergeknüppelt werden. Militärs, die versuchen den Zugang zu sozialen Medien und dem Internet massiv einzudämmen. Menschen, die sich tagein tagaus Mut zu sprechen, Mut ansingen, gemeinsam friedlich auf die Straße gehen. So als wollten sie sagen: Nehmt das! Mit diesem Widerstand habt ihr nicht gerechnet!
Die Brutalität, mit der das Militär auf den Widerstand reagiert, ist immens. Nicht nur, aber auch deswegen müssen wir als globale Gemeinschaft genau hinschauen. Wir müssen uns ohne jeden Zweifel an die Seite der pro-demokratischen Demonstrant*innen stellen.Unsere Solidarität gilt einzig und allein Ihnen! Wir müssen deutlich machen, dass wir nichts anderes akzeptieren, als das Ende der militärischen Gewaltherrschaft und eine Rückkehr zu demokratischen Prinzipien. Die Demokratie in Myanmar war schon ohne Putsch fragil. Der militärische Einfluss war auch zu Zeiten von Aung San Suu Kyi groß – wie groß wissen wohl nur Insider*innen.
Dutzende Tote rütteln wach. Bundesaußenminister Maas spricht davon, dass Deutschland diesen Putsch niemals akzeptieren werde. Ich komme ins Grübeln. Was heißt es, einen Putsch niemals akzeptieren zu können? Wo verschwimmen die Grenzen zwischen aktivem Entgegensetzen und passiven „Niemals-Hinnehmen-Wollen“? Fragen, auf die ich keine Antwort weiß. Fragen, die mich beschäftigen. Was werden wir in einem Jahr sagen, wenn wir auf Myanmar blicken? Wir wollten es nicht akzeptieren, aber jetzt ist es halt doch so gekommen? Wie werden sich die jüngst beschlossenen Sanktionen auswirken, die gegen 11 Personen durch das neue EU-Menschenrechtssanktionssystem beschlossen wurde?
Eines ist für mich aber klar. Wir dürfen nicht wegsehen! Hinschauen ist immer die beste, nein die einzige Option. Wenn wir das von uns wegschieben, wenn es uns egal wird, was rund um den Globus passiert, dann kapitulieren wir ein Stück weit. Versteht mich nicht falsch. Ich glaube, dass es niemand leisten kann, über jeden Konflikt und über jede Gemengelage stets 1A informiert zu sein. Es geht darum, dass wir uns als Zivilgesellschaft aber nicht damit abfinden. Wir müssen informiert bleiben und informiert werden. Nicht über jeden Konflikt wird stets ausreichend berichtet, Konflikte wie der in Myanmar verdienen es, präsent(er) zu sein und immer wieder aufs Neue aktualisiert, kontextualisiert und diskutiert zu werden. Aus Diskussionen müssen dann Taten folgen. Offene Verurteilungen können nur der erste Schritt von vielen sein.
Am 03. März 2021 wird die Demonstrantin Kyal Sin von brutalen Streitkräften in den Kopf geschossen. Der Spruch ihres T-Shirts ist für viele Demonstrant*innen ein Sinnbild geworden: „Everything will be OK“ – Alles wird gut.